Negative Bevölkerungsprognosen
prägen seit vielen Jahren
die politischen Debatten in Deutschland. Kaum jemand nimmt zur Kenntnis, dass
die Vorhersagen ständig nach oben korrigiert werden. Wie LBS Research
mitteilt, hatten die statistischen Ämter von Bund und Ländern noch
im Jahre 1992 für 2030 in Deutschland einen Bevölkerungsrückgang
auf 69,9 Millionen Menschen vorhergesagt. Mittlerweile geht das DIW selbst
in seiner pessimistischsten Prognose davon aus, dass die Bevölkerung im
Jahre 2030 mit 83,6 Millionen Einwohnern um gut 1 Million über dem aktuellen
Bestand liegt (vgl. Grafik).
Die LBS-Experten haben in ihre Übersicht ausschließlich Prognosen
aus der Zeit nach der deutschen Einheit sowie dem Fall des eisernen Vorhangs
einbezogen. Die damit verbundenen Wanderungen waren nämlich schon 1992
im Prinzip bekannt. Wenn sich auch die beiden jüngsten Prognosen von 2003
und 2004 deutlich unterscheiden, so liegt das nach Auskunft von LBS Research
weniger an unterschiedlichen Annahmen über die Zuwanderung. Sie liegt
in beiden Fällen bei gut 200.000 Menschen pro Jahr. Vielmehr berücksichtigt
das DIW aktuellere Informationen über die Steigerung der Lebenserwartung.
Der Vergleich zeigt, dass seit Anfang der 90er Jahre von den Demografen deutliche
Veränderungen vollzogen wurden: Unter dem Eindruck des Ausmaßes
der Zuwanderung zu Beginn der 90er Jahre, die auch die weiteren Prognosen beeinflusste,
wurde bereits die 8. koordinierte Vorausberechnung der statistischen Ämter
1994 deutlich nach oben verändert. Dies haben die Prognosen in der 9.
Berechnung teilweise wieder korrigiert. Deshalb war das Ergebnis für 2030
nur geringfügig höher. Erst nach dem Jahrtausendwechsel haben sich
die Demografen endgültig von negativen Prognosen verabschiedet.
Wie LBS Research ergänzend mitteilt, liegt das DIW selbst bei zurückhaltenden
Annahmen für 2030 über dem aktuellen Stand von 82,5 Millionen Einwohnern
zur Jahreswende 2004/2005. Bei höheren Annahmen über die Nettozuwanderung
sowie bei einem unterstellten konstanten Anstieg der Lebenserwartung wird für
2030 sogar eine Bevölkerung von 85,2 Millionen prognostiziert. Unter diesen
Voraussetzungen nimmt laut DIW die Bevölkerung bis 2050 mit 83,1 Millionen
zwar wieder etwas ab, liegt damit aber auch bis zur Mitte des Jahrhunderts
noch über dem heutigen Stand.
Nach Auffassung der LBS-Experten erweisen sich vor diesem Hintergrund manche
wohnungs- und städtebaupolitischen Debatten als völlig falsch. Zumindest
für Deutschland insgesamt stehe ein Bevölkerungsrückgang keineswegs
unmittelbar bevor. Besonders fraglich sei es, wenn die aktuelle Schwäche
der Wohnungsbaukonjunktur von der Politik bereits auf demografische Faktoren
zurückgeführt wird. Hinzu komme für die Perspektiven des Wohnungsmarktes,
dass wegen des anhaltenden Trends zu kleineren Haushalten deren Zahl noch über
längere Zeit weiter wachsen werde. Allein in den letzten acht Jahren sind
im Schnitt über 200.000 Haushalte pro Jahr hinzugekommen. Nach den Prognosen
wird ihre Zahl noch mindestens bis 2020 weiter ansteigen, und zwar insgesamt
um fast 2 Millionen.
Selbstverständlich ist laut LBS Research bei den Bevölkerungsprognosen
regional zu differenzieren. Angesicht unterschiedlicher Entwicklungstendenzen
in verschiedenen Räumen Deutschlands komme es für Bau- und Investitionsentscheidungen
mehr denn je auf die Standorte an. Klar sei aber auf jeden Fall, dass manchen
Regionen mit Bevölkerungsrückgängen auf der anderen Seite auch
zumindest in gleichem Umfang Wachstumsregionen gegenüberstünden.
Denn sonst sei per saldo ein Bevölkerungszuwachs mathematisch unmöglich.
Diese unterschiedliche Situation führe aber sogar eher zu höherem
Wohnungsbaubedarf. Denn Arbeits- und Wohnungssuchende in Wachstumsregionen
könnten schwerlich darauf verwiesen werden, dass in anderen Gegenden der
Republik immer mehr Wohnungen leer stehen.
Nach Einschätzung der LBS-Experten ist die hier dokumentierte Entwicklung
der Bevölkerungsprognosen für 2030 im Prinzip nichts Neues. Denn
im Rückblick zeige sich, dass die tatsächliche Bevölkerungsentwicklung
stets oberhalb der Prognosen gelegen habe. Diese wichtige Botschaft dürfe
daher nie vergessen werden, weder von der Politik noch von den Akteuren auf
dem Markt. Sonst würden Fehlentwicklungen mit Angebotsengpässen sträflich
spät wahrgenommen.